Vor ein paar Wochen habe ich endlich den Entschluss gefasst, einen langgehegten Traum zu erfüllen: Schon seit Jahren wollte ich Klavierspielen lernen. Nun habe ich mich endlich dazu aufgerafft. Und wie es nun einmal ist, wenn man sich mit etwas Neuem beschäftigt, habe ich natürlich auch YouTube und Google nach diversen Tutorials und Lern-Videos durchsucht. Die entsprechenden Algorithmen von Google und YouTube haben mir – das kennt ihr vermutlich alle – daraufhin immer wieder Videos und Anzeigen zu Klavierspiel-Lernkursen angezeigt.
Besonders häufig bin ich auf einen Kurs von einem gewissen Stephen Ridley gestoßen, einem Konzertpianisten aus Großbritannien. Er wirkt sehr sympathisch, vielleicht Ende 30 oder Anfang 40, blondes Haar und sehr enthusiastisch. In seinen Videos verspricht er, dass man mit seiner Methode innerhalb weniger Wochen sehr gut Klavierspielen lernen kann: Nur ein paar Minuten am Tag sollten mich zum Meisterpianisten werden lassen.
Natürlich war ich als eher skeptischer Mensch sofort misstrauisch und wusste, dass diese Versprechungen zu schön sind, um wahr zu sein. Aber neugierig war ich doch: In einem seiner Werbe-Videos bot Stephen Ridley einen kostenlosen Einführungskurs bzw. ein Live-Seminar an, das an einem Sonntagabend stattfinden sollte. Ich dachte mir: warum nicht? Kostet ja nix. Also hab’ ich mich angemeldet. Stutzig wurde ich dann schon, als ich bei der Anmeldung nicht nur nach meiner E-Mail-Adresse und meinem Namen gefragt wurde, sondern auch noch nach meiner Telefonnummer. Das fand ich etwas seltsam für ein kostenloses Online-Seminar – also habe ich mich (natürlich ganz aus Versehen …) bei der Telefonnummer vertippt.
Kurz darauf erhielt ich also E-Mails mit Erinnerungen für das bevorstehende Seminar. Es hieß, dass ich unbedingt zum entsprechenden Zeitpunkt einschalten solle und dass es eine einmalige Gelegenheit sei, die nicht wiederholt werde. Niemals! Leider hatte ich, wie es dann manchmal so ist, zu dem Zeitpunkt keine Zeit und konnte spontan aus familiären Gründen nicht teilnehmen. Ich dachte mir, nun gut, dann war es das eben.
Klavierkurs von einem Scientologen
Doch dann: Überraschung! Ich erhielt eine E-Mail, in der stand, dass das Seminar aufgrund der hohen Nachfrage doch noch einmal angeboten werde. Ich konnte es mir noch einmal ansehen. Ich habe mir also Teil davon angeschaut, aber es war eine Plattform, bei der ich weder vor- noch zurückspulen konnte. Da mir dann anderthalb Stunden doch zu viel waren, hab’ ich es nicht komplett angeschaut.
Daraufhin beschloss ich aber, mir Stephen Ridley mal genauer anzuschauen. Das Ganze wirkte doch etwas merkwürdig. Bei meiner Recherche stieß ich unter anderem auf ein Reddit-Forum, in dem sich Leute über diesen Kurs austauschten. Dabei stellte sich heraus: Stephen Ridley ein bekennendes Mitglied der „Church of Scientology“ ist.
Je mehr man dann liest, desto mehr drängt sich der Eindruck auf: Hinter dieser „Masterclass“ und der „Stephen Ridley Academy“ insgesamt steckt wohl mehr als nur das Ziel, Menschen zu Künstlern zu machen. (Das ist einer seiner Slogans: „Make Artists. Fast.“). Man müsste wohl ergänzen: „Make Scientologists, too!“ Denn: In dem Reddit-Forum berichteten mehrere Teilnehmer, die sich für das Seminar angemeldet und ihre Telefonnummer angegeben hatten, dass sie kontaktiert wurden, und auch, dass sie die üblichen Scientology-Persönlichkeitstests bekommen hätten, mit denen die „Kirche“ arbeitet.
Ein Schnäppchen: nur 14.000 $ fürs Gesamtpaket!
Die Stephen Ridley Academy scheint also aktiv zu versuchen, Menschen für Scientology zu werben. Das bedeutet nicht, dass Scientology direkt involviert ist (die Sache mit den „Frontorganisationen“, mit denen man rein formal nichts zu tun hat, kennt man ja – unter anderem von Scientology). Aber: Stephen Ridley, als aktives Mitglied von Scientology, nutzt offenbar die Masterclass oder die Academy, um Menschen an Scientology heranzuführen. Ein Reddit-Nutzer schreibt sogar, er werde nicht nur mit Spam-Nachrichten, sondern auch mit voraufgezeichneten Voicemails bombardiert. Nachdem er die Nummer blockiert habe, seien die Voicemails von einer neuen Nummer gekommen. Ich selbst habe bis zu acht Mails täglich von der Ridley Academy bekommen.
Ridley ist dabei nicht nur irgendein normales Mitglied von Scientology. Es gibt Berichte, die schon 2018 besagen, dass erwartet wird, dass er sich bald in die höchste Riege von Scientology einkauft, indem er die 1-Millionen-Dollar-Marke an Spenden überschreiten. Das dürfte wohl inzwischen, 5 Jahre später, passiert sein. Was es aber in jedem Fall bedeutet: Der Brite spendet tatsächlich sehr viel Geld an diese Organisation. Wer also seine Academy besucht, finanziert damit Scientology.
Ich stand nun zu keinem Zeitpunkt in der Gefahr, dieser Masche auf den Leim zu gehen. Davon hat mich allein schon der Preis abgehalten: In der Standard-Variante kostet Ridleys Piano-Masterclass rund 3000 $, in manchen Mails, die ich bekommen habe, rief er Preise von bis zu 14.000 $ für diverse Komplettpakte auf – natürlich verbunden mit einem enormen Rabattversprechen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen: Wenn man den Hintergrund nicht kennt und das nötige Geld dafür hat, ist man eventuell anfällig für solche Angebote. Und: Ohne es zu wollen, einfach nur, weil man Klavier lernen möchte, finanziert man dann indirekt eine Organisation wie Scientology.
Falls ihr also jemals auf die Ridley Academy oder den Namen Stephen Ridley stoßt, weil ihr Klavier lernen möchtet: Gebt diesem Mann kein Geld – ob ihr es habt oder nicht!
In dieser Folge erzähle ich euch etwas über die Ridley Academy:
Quellen
https://www.reddit.com/r/piano/comments/pt3d6s/ridley_academy_scientology_recruitment_center/
https://www.reddit.com/r/Music/comments/12ho8be/stephen_ridley_is_a_scam/