#16 Jehovas Zeugen: Theokratie auf Erden

Die Zeugen Jehovas sind eine der bekanntesten Religionsgemeinschaften in Deutschland – sie klingeln an Haustüren und stehen mit ihren Zeitschriften still an öffentlichen Plätzen und in Fußgängerzonen. Für viele sind sie der Prototyp einer „Sekte“ – ich habe mit ehemaligen, aktiven und inaktiven Zeugen Jehovas gesprochen und mir ein eigenes Bild gemacht. Was genau verbirgt sich hinter dieser Gruppe?

Vielen Dank an den riva-Verlag für die Exemplare zur Verlosung von „Jehovas Gefängnis“ von Oliver Wolschke!

Teilnahmebedingungen und rechtliche Hinweise:
Wenn ihr an der Verlosung teilnehmen wollt, dann schreibt mir bis zum 31. Mai 2019 eine Mail mit dem Betreff „Zeugen Jehovas“ an guru [/ät/] secta.fm. Die Verlosung findet dann Anfang Juni nach dem Zufallsprinzip aller Einsendungen live auf instagram statt – am Besten ihr folgt mir dort: instagram.com/secta.fm. Bitte schreibt mir in die E-Mail keinerlei personenbezogene Daten – mir reicht die genutzte E-Mail-Adresse, unter der ich euch im Falle eines Gewinnes kontaktieren werde. Alle Mails und Adressen werden nach Beendigung des Gewinnspiels von mir gelöscht und in keinem anderen Kontext verwendet. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

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Quellen & weiterführende Links (Auszüge)

Webseiten / Links

Allgemeine Webseiten

Konkrete Artikel

Literatur

Art. „Jehovas Zeugen“, in: Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen. Gütersloh 2015, S.406-431.

Deppe, Monika: Die Zeugen Jehovas. Auch ich habe ihnen geglaubt. Sanfter Einstieg, harter Ausstieg. Ein Lebensbericht, Gießen 2007.

Utsch, Michael: Jehovas Zeugen, EZW-Kompakt-Infos, Berlin 2017.

Utsch, Michael (Hg.): Jehovas Zeugen, EZW-Texte 255, Berlin 2018.

Wolschke, Oliver: Jehovas Gefängnis. Mein Leben bei den Zeugen Jehovas und wie ich es schaffte, auszubrechen. Riva-Verlag, Berlin 2018.

Zillmann, Raik: Jehovas Zeugen aus religionswissenschaftlicher Sicht, EZW-Texte 255, Berlin 2018, S. 5-17.

Sonstiges

25 Antworten

  1. Der Bericht ist kurzweilig und erstklassig. Die Lehren der Zeugen Jehovas werden detailliert erklärt. Daraus sich ergebende Probleme korrekt analysiert und verständlich erläutert.

  2. Sehr beeindruckend detaillierte Schilderung zur Vergangenheit und Gegenwart der Zeugen Jehovas.
    Ein kleines Detail habe ich vermisst. Es ist die Einstellung der Ernsten Bibelforscher zum Militärdienst im 1. Weltkrieg. Einige Faximilis aus dieser Zeit von verschiedenen Wachtturm-Artikeln siehe hier: https://jessussirach.jimdo.com/tet-bm-kapitel-2/
    Unkommentiert werden Passagen aus diesen Veröffentlichungen hier vorgelesen: https://www.youtube.com/watch?v=idtUaRg63q4&t=55s
    Aus meiner Sicht ist das ein wesentlicher Aspekt, der die stillschweigende Lehränderung dokumentiert. Zumal die Konfrontation im Nationalsozialismus doch erheblich durch die Provokationen durch President Russel befeuert wurde.

    1. Danke für die Ergänzung! Hatte ich in der Form tatsächlich nicht auf dem Schirm. Von daher – vielen Dank für den Hinweis an dieser Stelle.

  3. Sehr gut recherchierter und aufgearbeiteter Bericht! Zwei kleine Anmerkungen:

    1) Der verlinkte Auswertungsbogen der Predigtdienstschule stammt aus den 90er Jahren. Inzwischen heißt die Zusammenkunft „Leben-und-Dienst-Zusammenkunft“. Ein aktueller Auswertungsbogen ist auf S. 78-82 in dem Buch „Nutze die Belehrung der Theokratischen Predigtdienstschule“ zu finden (https://www.jw.org/de/publikationen/buecher/Nutze-die-Belehrung-der-Theokratischen-Predigtdienstschule/).

    2) Ausgeschlossene sind nicht gleichzusetzen mit Abtrünnigen. Abtrünnigkeit ist vielmehr ein möglicher Grund für einen Gemeinschaftsentzug (siehe Kapitel „Wann ein Rechtskomitee gebildet werden sollte“, speziell ab S. 65 in „Hütet die Herde Gottes“, https://www.reddit.com/r/exzj/comments/6b1ync/h%C3%BCtet_die_herde_gottes/). Abtrünnigkeit wird dabei in der Regel als besonders schwerwiegende Sünde angesehen und wird zumindest indirekt oft mit „unverzeihlichen Sünden“ bzw. „Sünden gegen den Heiligen Geist“ in Verbindung gebracht (siehe z.B. w07 15. 7. S. 18-19, https://wol.jw.org/de/wol/d/r10/lp-x/2007525?q=unverzeihliche&p=par).

    Der Umgang mit Ehemaligen ist sicherlich die am kritischsten zu bewertende religiöse Praxis, die speziell auf Zeugen Jehovas zutrifft, welche auch eine Bezeichnung als Sekte rechtfertigt. Andere Praktiken z.B. im medizinisch-hygenischen Bereich wie die Verweigerung von Bluttransfusionen, aber auch das Verschleiern von Kindesmissbrauch sind zumindest generell keine Besonderheit der Zeugen Jehovas, sondern in einer Vielzahl religiöser Gruppen -einschließlich Großkirchen bzw. Weltreligionen- anzutreffen, im medizinischen Bereich zum Beispiel das höchst problematische Kondom-Verbot der katholischen Kirche.

    1. Vielen Dank für die Rückmeldung. Stimmt, inzwischen heißt es Leben-Dienst-Zusammenkunft; das hatte ich in der Folge gar nicht erwähnt. Danke für den Link zum Auswertungsbogen. Das trage ich oben noch nach!

      Danke auch besonders für den Hinweis, zwischen „Abtrünnigen“ und „Ausgeschlossenen“ zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist mir durchgerutscht, da habe ich bunt durcheinandergewürfelt.

    1. Ja, daraus stammt der oben aufgeführte und in der Folge zitierte Beitrag von Raik Zillmann (Religionswissenschaftler). Ich habe die ganze Schrift oben mal noch in die Literaturangaben geschrieben. Danke!

  4. Hallo Fabian, wie immer sehr guter Podcast. Wie schon in meinem letzten Kommentar halbwegs angedeutet, hätte ich mich gerade über eine theologische Betrachtung des Katechismus der ZJ sehr gefreut. Immerhin hast Du ja aber doch das ein- oder andere einfließen lassen.

    Sich hier auf die bekannten Hauptfakten wie das Blutverbot, die Zwei-Zeugen-Regel oder das Kontaktverbot für Ausgeschlossene zu beschränken halte ich für zu engstirnig, auch wenn es natürlich wichtige Faktoren sind, die gg die ZJ sprechen.

    Ich würde mich auch sehr drüber freuen, wenn hier über die sogenannten Satelliten der ZJ berichtet wird, d. H. Organisationen von Ausgeschiedenen, Vermarktungswege der ZJ (Selters); Leute, die sich gg die ZJ wenden o. Ä.

    Wie immer bin ich aber von dem Podcast insgesamt echt begeistert.

    Weiter so!

    LG

    Al

    1. Vielen Dank für das Feedback! Ja, mir ist bewusst, dass einiges fehlt in der Folge. Ich musste mich (leider) irgendwie beschränken, sonst wäre sie nie fertig geworden. Natürlich sind die von mir ausgewählten Hauptfakten eine „engstirnige“ Auswahl; mir selbst erscheinen sie aber als sehr wichtige – und, wie ich am Ende sage – auch problematische Lehren. Ich musste mir im Rahmen der Vorbereitung an vielen Stellen die Frage stellen: Was ist für einen erste Überblick über die Zeugen Jehovas wichtig, zu wissen? denn so ist die Folge gedacht. Mich selbst hätte auch eine intensivere theologische Auseinandersetzung mit anderen/weiteren Lehren der ZJ gereizt. Allerdings muss ich immer wieder meine Zielsetzung und die Zielgruppe meiner Folge vor Augen halten. Wer weiß, vielleicht überkommt es mich irgendwann mal noch in einer Sonderfolge 🙂 Mir ist klar, dass jemand, der sich schon länger mit den ZJ befasst, diese Folge u.U. nicht ganz zufriedenstellend finden wird.

      Liebe Grüße
      Fabian

  5. Aufwändig recherchierte Arbeit, sehr sachliche Darstellung zusammen mit einer unaufgeregten Darbietung und sich aus der Sache heraus ergebenden Schlußfolgerungen… sehr gute Arbeit.

  6. Danke für den Beitrag! Danke, dass Du Dir die viele Arbeit gemacht hast!
    Wir haben mal in der Nähe eines Königreichsaals gewohnt und haben die Zeugen mit ihren Trolleys morgens losziehen und abends wiederkommen sehen. Ich konnte meinem Sohn damals nicht so gut erklären, was es mit den Zeugen so auf sich hat.
    Nun kann ich ihm den Link zu dieser Episode schicken. 🙂

    1. Super, genau so ist er gedacht: Dass er sich (auch) für solche Zwecke eignet, einen Überblick darüber, was sich hinter den ZJ verbirgt.

    2. Schade, dass Sie sich nicht einfach mal getraut haben in so einen Königreichssaal hineinzugehen oder die Menschen anzusprechen, die Sie da morgens und abends haben laufen sehen. Es ist immer besser sich ein eigenes Bild zu machen!

  7. Ich habe mir Oliver’s Geschichte angehört… ich bin selbst “noch” aktiver JZ, gelte jedoch mittlerweile zu denen die Oliver als “Untätige” bezeichnet hat (ist ja auch die “interne” richtige Bezeichnung). Ich wurde nicht als JZ geboren, hatte aber immer innerhalb der Familie Kontakt zu JZ und habe, nachdem ich damals meine Frau kennengelernt habe die Zeugin war, mich für ein Bibelstudium entschieden und danach taufen lassen. Seitdem sind jetzt 20 Jahre vergangen und während dieser Zeit kam es mir immer wieder in den Sinn einiges zu hinterfragen.

    Ich gebe Oliver jedoch Recht, nämlich dass ein Ausstieg, oder nennen wir es den “finalen cut”, wahnsinnig schwierig ist. Oliver beschreibt es im letzten Drittel seines Interviews ziemlich gut… das soziale Leben wird in einem Ruck komplett ausgelöscht, Freunde und Familie werden den Kontakt vermeiden bzw. komplett abbrechen… schwieriger wird es dann noch zusätzlich wenn eigene Kinder im Spiel sind, die als JZ erzogen werden. Da kommen dann Fragen auf, wie… “Wenn ich jetzt offiziell aussteige und mich für den Ausschluss entscheide, inwiefern wird das mein Verhältnis zu meinen Kindern beeinflussen… inwieweit werden andere innerhalb der Glaubensgemeinschaft eine Barriere zwischen den Kindern und dem/der “ausgeschlossenen” Vater/Mutter aufbauen?”, etc… Das sind nur einige Dinge die einem hier in den Sinn kommen, jedoch kann man diese Liste endlos weiterführen. Ich, für meinen Teil, habe mich jetzt nun seit mittlerweile 6 Monaten für den “soft cut” entschieden, da ich den sozialen Druck derzeit noch nicht verarbeiten kann und noch nicht weiß wie ich damit umgehen kann/soll. Auch die Beziehung zu meiner Frau hat sich hier natürlich komplett verändert, da sie innerhalb der ZJ ihre Bestimmung gefunden und sich nicht davon abbringen lässt. Die Kompromisse die jeder ZJ eingeht oder eingehen muss liegen auf der Hand… man kann entweder strikt nach den Regeln der Gemeinschaft leben, man findet einen Mittelweg (die Verleugnung oder den Betrug) oder man löst sich komplett von der Gemeinschaft. Ich bin die letzten 10J den Mittelweg gegangen, indem ich ein Doppelleben in vielerlei Hinsicht geführt habe… manche Dinge hätten bei Bekanntwerden sicherlich zu einem Ausschluss geführt. Aber wie Oliver es schon beschrieben hat, kommt man hier in eine Abwärtsspirale, aus der man irgendwann ausbrechen muss, denn ewig kann man es nicht aushalten 2 Leben zu führen. Dieser Punkt kam bei mir vor rund 2 Jahren als ich einen ganz besonderen Menschen kennengelernt hatte. Sie hat mich wahrlich zum “erwachen” gebracht und seither brodelt es in mir und ich versuche langsam mein Leben zu ändern um hoffentlich bald die Entscheidung zum Ausstieg treffen zu können. Der soziale Druck, natürlich auch die jahrelange Doktrinierung hat dazu geführt, dass ich diesen Menschen den ich als Seelenverwandte bezeichnen möchte, verloren habe da ich nicht die Kraft hatte diesen Weg zu gehen. Sie hat sich für mich eingesetzt, aufgeopfert… aber ich habe es bisher nicht geschafft einen “neuen” Weg zu gehen, einen neuen Weg mit Ihr zu gehen. Das soll eventuell auch jedem der meinen Kommentar liest ein klares Bild über den wahnsinnigen sozialen Druck vermitteln, dem man als JZ ausgesetzt ist. Manche von Euch fragen sich vielleicht was mich bewegt hat, aus dieser Welt auszubrechen… zum einem, wahr es dieser besondere Mensch der meine Welt auf den Kopf gestellt hat und sich hinter mich gestellt hat als ich es gebraucht habe. Zum anderen ist man immer wieder mit Dingen konfrontiert, von denen Oliver einige erwähnt hat… ein Stundenziel erreichen zu müssen/sollen, obwohl man im Job steht, 2 mal die Woche Zusammenkunft hat, 2 Kinder, Familie, etc… es wahren aber auch oft ganz einfache Dinge die sich einfach so mancher Logik entziehen… Filme wie Harry Potter oder Herr der Ringe, etc. dürfen aufgrund der vorkommenden “Magie”, welche in der Bibel als schlecht und verachtungswürdig angesehen wird, “offiziell” nicht angesehen werden… jedoch laufen sämtliche ZJ, darunter auch Älteste die bei Vorträgen zu diesem Thema manchmal Stellung beziehen, ins Kino um den neuen James Bond Film zu sehen in denen in den ersten 30 Minuten ungefähr 20-50 Menschen getötet werden (das Thema Gewalt wird ja biblisch betrachtet auch wie Magie als schlecht bezeichnet). Jene Zeugen sehen sich auch Serien wie The Walking Dead oder ähnliches an, jedoch werden diese Dinge einfach nicht erwähnt und verschwiegen. Es ist ja auch jedes Menschen eigenes Gewissen dafür verantwortlich, dass man entscheiden kann/muss was möglich ist oder nicht. Das eigene Gewissen ist jedoch nur solange die eigene Freiheit, bis jemand darüber erfährt. Dann wird aus dem freien Willen der Entscheidung schnell mal ein absolutes NoGo und zieht dann Gespräche oder Zurechtweisungen der Ältesten nach sich da man sich ja nicht richtig verhält. Am Ende des Tages denke ich dass die Dunkelziffer derjenigen, die sich mit nicht biblischen Dingen beschäftigen, wahnsinnig hoch ist aber darüber zu schweigen ist eben einfacher als dafür Stellung zu beziehen. Ihr könnt mir glauben dass ich dieses “verschweigen” bis zur Perfektion erlernt habe. Innerhalb der Zeugen wird unter manchen genauso getrunken und gefeiert wie bei den “weltlichen”, aber wenn man darüber schweigt, es niemand mitbekommt und am nächsten SA wieder beim Treffpunkt zum Predigtdienst im Saal erscheint ist ja alles gut.

    Etwas dass mich jedoch wirklich letztlich sehr beschäftigt hat war, dass man immer wieder gesagt bekommt dass wir glücklicher sein können da wir, im Gegensatz zu den “weltlichen”, eine Hoffnung haben… ewiges Leben auf einer paradiesischen Erde. Und ja, diese Hoffnung ist auch wunderschön und jeder müsste sich eigentlich viel besser fühlen da ja unsere Sorgen und Probleme nur temporär sind. Jedoch musste ich feststellen, dass innerhalb der Gemeinschaft immer mehr Menschen mit massiven Problemen zu finden sind… Burnout, Depressionen, etc. sind an der Tagesordnung. Älteste sind mit dem “beschützen” der Herde komplett überlastet, den Dienst müssen sie auch verrichten, Familie haben sie auch… Glaubensbrüder und -Schwestern leiden an Depressionen, haben Geldsorgen da sie ja nur wenig arbeiten um viel Zeit ins predigen investieren zu können, etc… Und dazu kommt auch noch der ewige Gedanke dass alles schlechte ja eventuell eine Prüfung des Glaubens oder ein Angriff Satans sein könnte; alles Gute was einem wiederfährt ist in den meisten Fällen eine Segnung Jehova’s für unseren besonderen Einsatz, etc… Für mich ergibt sich daraus jedoch aber nur eines… wenn alles Schlechte und Gute in meinem Leben nur von externen Faktoren abhängt, wo bleibt dann mein persönlicher Erfolg im Leben, egal was nun Erfolg für jemanden individuell bedeutet. Wenn meine Verfehlungen nur dazu führen dass ich im Glauben geprüft werde oder dass Satan dadurch denkt, dass er mich leichter vom Weg der Wahrheit abbringen kann, dann muss ich ein perfekter Mensch sein um hier nicht in eine Opferrolle zu verfallen. Um dieses zu vermeiden, muss ich also alles nur erdenkliche für meinen Glauben tun, damit ich Segnungen erhalte die zu meinem Glück beitragen und mich vor Prüfungen und Satan bestens beschützen. Zusammenfassend ergibt sich dadurch für mich ein klares Bild warum es bei Menschen innerhalb der Gemeinschaft immer mehr zu psychischen Problemen kommt… man befindet sich in einer Endlosschleife aus der es kein entkommen gibt, außer man bricht aus.

    Ich möchte Euch hiermit nur einen kleinen Einblick in diese sehr behütete Welt geben, in der man versucht dass “weltliche” draußen zu lassen und jede Zusammenkunft als “Erquickung” bezeichnet. Der Königreichssaal wird zum Ort des Friedens und des Glaubens, zu dem Ort in dem man 2 mal die Woche seine Probleme vergessen darf um sich letztendlich wieder zu mehr Einsatz im Dienst motivieren zu lassen, denn das ewige Leben wartet ja auf diejenigen die in der “Wahrheit” sind. Ich selbst habe es noch nicht geschafft diesem Kreislauf zu entkommen, habe sogar den Menschen verloren der mich “aufgeweckt” hat. Ich dachte ernsthaft dass ich da einfach so ausbrechen kann, aber ich habe es bisher nicht geschafft… sozialer Druck, die Kinder, etc. waren bisher einfach eine zu große Last, aber ich befinde mich auf einem guten Weg und hoffe dass ich es bald schaffe wieder “mein” Leben zu führen… ein Leben in dem ich “nur” Ich sein kann und kein Doppelleben mehr führen muss.

    1. Wow, lieber anonymer Kommentator – vielen, vielen Dank für deine klaren, offenen und – das gebe ich unumwunden zu – sehr bewegenden Worte. Ich habe gerade eine Gänsehaut. Was ein Einblick, den du uns da gibst. Dazu kann und will ich nichts sagen, außer: Ich wünsche dir alles, alles Gute auf DEINEM Weg. Ich wünsche dir sehr, dass du bald so leben kannst, wie es gut für dich ist. Ohne Zwänge, ohne Druck – einfach nur so, wie du bist, denkst und glaubst.

      1. Hallo,

        Anonym ist kein Einzelfall. Ich weiß nicht, wie viele in einer solchen Situation sind. Aber ich würde solche gerne in meiner Nähe haben. Denn ich bin es auch. Aber selbst wenn diese Personen neben mir stehen würden, würde ich es nicht wissen. Denn niemand redet. Aus Angst. Ja, ich hab auch Angst. Bin vor ca einem halben Jahr aufgewacht. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was für ein Gefühl das war. Wie sterben. Ich war nie enttäuscht von den Menschen. Klar macht mal jemand Fehler. Aber das fand ich normal. Enttäuscht war ich immer nur von mir. Wenn ich Zweifel hatte. Nicht alles glauben konnte. Dann musste ich halt noch mehr machen. Pionierdienst, Kranke besuchen….ja, sogar Delegierter sein auf einem internationalen Kongress…..einfach alles. Doch es half nicht. Es fing harmlos damit an, dass ich mich mal über Scientology informiert habe….und dann kam eins zum anderen. Und ich wusste, dass ich Indoktrination zum Opfer gefallen war. Mein ganzes Leben ein Betrug. Jehova gibt es nicht. Ich konnte nicht mehr zur Versammlung, nicht in den Dienst. Ja, ich wollte nicht mal mehr mit anderen Brüdrn reden. Worüber auch? Sie würden mich ja für abtrünnig halten. Was ich ja auch bin. Aber ich bin nicht böse!!!!!!! Jetzt schwebe ich in einem Nichts. Denn ich darf nicht reden. Sonst verliere ich meine ganze Familie. Wirklich alle. Alle……..Freunde kann man neue finden. Aber niemand kann das Kind ersetzen, dass du so liebst. Oder deinen Traummann. Oder deinen Papa. Das ist so ein unbeschreiblich unerträglicher Zustand. Ich kann nicht heucheln. Aber die Wahrheit reden darf ich auch nicht. Mut machen mir ganz viele Aussteiger, die mir zeigen, dass es möglich ist, irgendwann mal so was wie Glück zu fühlen. Ich hoffe, ich halte so lange durch. Denn der Wunsch zu sterben ist schon oft da. Nein, jetzt nicht panisch werden. Ich mach keinen Unsinn. Hab mir auch schon therapeutische Hilfe gesucht. Es ist nur dieses absolut hoffnungslose Gefühl, was einen solche Gedanken haben lässt. Ich würde so gerne allen, die ich liebe sagen, was wirklich los ist. Dass es das alles gar nicht gibt. Doch ich weiß, dass es nichts bewirken würde. Bis es irgendwann in ihrem Gehirn KLICK macht. Doch leider passiert das bei den meisten nie…………aber ich hoffe weiter.

        1. Lieber Anonym 2,

          Ich verstehe Dich nur zu gut, zumal wir ja irgendwie in der gleichen Situation sind. Die Menschen innerhab der Organisation sind ja auch nicht schlecht, dass hat auch niemand behauptet. Im Gegenteil, egal in welchem Teil der Erde man sich gerade befindet, überall wird man als Freund empfangen und auch kulturelle oder sonstige Barrieren gibt es nicht. Es hat ja auch immer wirklich den Anschein als würden alle innerhalb der Organisation wirklich viele Probleme der Menscheit überwunden haben und ein besseres Leben führen. Und ja, nicht mal das kann ich irgendwie schlecht machen oder abstreiten… viele Menschen brauchen dass und denen geht es auch wirklich besser innerhalb der Organisation. Zu einem Problem wird es dann, wenn man anfängt Dinge in Frage zu stellen, mit manchen Dingen einfach nicht zurecht kommt oder beginnt ein „zweites“ Leben zu führen, dass man vor allen geheim halten muss. Oder manchmal sind es auch die kleinen Dinge wie Filme, Musik, etc. die zu einem inneren Konflikt führen dem man dann irgendann nichr mehr entkommt. Dann kommt es auch oft zu diesen Schuldgefühlen… „Vielleicht bin ich ja wirklich auf Abwegen unterwegs… Vielleicht sollte ich mehr in der Bibel lesen… Vielleicht sollte ich mehr im Dienst tun um mein denken zu ändern… etc.“. Das sind ja auch oft die Dinge die uns von der Bühne gesagt werden. „Seid beschäftigt im Herrn… führt Euren Dienst völlig durch… dann wird Euch alles andere hinzugefügt werden“. Unsere Unvollkommenheit wird da natürlich auch immer als Schutzschild verwendet, um sich doch bei Fehltritten rechtfertigen zu können und da Gott ja barmherzig ist, kann man schon mal Fehler machen. Nur was passiert, wenn Jehova wirklich ins Herz schauen kann und unsere innersten Gedanken und Gefühle kennt, dann schaut das alles schon wieder ganz anders aus. Nur wenn er das wirklich kann, warum lässt er dann zu, dass Menschen wie wir nicht einfach auffliegen und dadurch sein Volk von innen beschützt wird. Er müsste ja sein Volk vor allen beschützen die eine Gefahr darstellen, denn es wird uns ja immer gesagt dass wir alles in Jehova’s Hand lassen sollen, denn er wird für Gerechtigkeit sorgen. Bei mir sorgt er seit mittlerweile fast 10 Jahren für keine Gerechtigkeit, denn ich habe vieles getan was man alls ZJ nicht tun soll/kann/darf. Aber ich bin immer noch da… Ein zweiter Gedanke der mir immer wieder kam war die Tatsache dass sich JZ immer wieder mit Ihren Prophezeiungen vertan haben… Harmagedon in den 70ern und andere Dinge wurden falsch dargestellt; seit 20 Jahren höre ich dass das Ende nahe ist und ja, geht man nach den biblischen Erklärungen über die Zeit des Endes (2 Tim. 3:1-5) muss man ja auch klar sagen dass solche Zustände heute herschen. Trotzdem schaffe ich es nicht mir folgendes zu erklären… wenn Jehova allmächtig ist, alle Schriften inspiriert, der treue und verständige Sklave alle Publikationen durch Inspiration und im Gebet erstellt, warum lässt Jehova dann zu dass solche Irrtümer passieren… das manche Brüder/Schwestern aufgrund dieser Vorhersagen alles Hab und Gut verkauft haben, ihren Job gekündigt haben um mehr Dienst in der Zeit des Endes durchführen zu können. Warum lässt er diese Dinge zu wenn er weiß dass „sein Ende“ noch nicht gekommen ist? Ich kann es nicht erklären und nicht verstehen… Aber egal, es gäbe hier noch vieles aufzuzählen!

          Trotzdem möchte ich für alle Leser eines klarstellen. Ich distanziere mich klar davon zu behaupten das JZ schlecht sind, dass sie einem in ein Leben hineinziehen wie es vielleicht andere Sekten tun. Das Studium der Bibel ändert einfach oftmals das Verständnis und scheint die Bibel erstmals logisch erscheinen zu lassen. Es gibt einem Hoffnung auf ein besseres Leben und macht grundsätzlich ja auch Sinn, zumal wir fast alle nach dem Sinn des Lebens suchen. Das Problem innerhalb der Gemeinschaft ist, dass man sich dadurch sozial komplett abhängig macht, da sämtliche Freundschaften bzw. Familie sich in diesem Kreis befinden und alles andere dann einfach nur mehr als „weltlich“ gesehen wird. Wenn man dadurch so wie ich, mehr als 20J in einer sozial abgegrenzten Welt lebt, dann gibt es außer dieser nichts… und diese stürzt dann in einem Moment ein, sobald man zu einem „Freidenker“ wird und man beginnt bestimmte Dinge anzuzweifeln oder in Frage zu stellen. Das ist meines Erachtens das schlimmste an der ganzen Geschichte… wenn man einfach ohne Konsequenzen aussteigen könnte, dann denke ich dass es hier eine große Anzahl an Gleichgesinnten geben würde die es einfach nicht mehr schaffen dieses Leben zu führen. Denn wie schon erwähnt, ich persönlich denke dass die Dunkelziffer derer die den „soft cut“ gewählt haben sehr hoch ist. Und trotzdem gibt es auch viele die in der Religion einfach total aufgehen und denen sei es auch gegönnt Ihre Bestimmung gefunden zu haben. Wenn es das ist was sie wollen, dann sollen sie es auch frei ausüben dürfen… aber diejenigen die nicht mehr wollen/können, mit sozialem Tod zu bestrafen da man sie ja zur Umkehr bewegen will, ist einfach nur grausam. Viel Kraft und Glück wünsche ich Dir!!

    2. Hallo Untätiger ZJ, vielen Dank für die treffende Beschreibung der Zwickmühle in der Du steckst. Mir geht es ähnlich. ich bin jedoch schon 3 Jahre inaktiv und zum Glück ist meine liebe Frau ebenso untätig. Ich gehe seit 15 Monaten in eine Selbsthilfegruppe für EX-ZJ (obwohl ich eigentlich noch nicht Ex bin). Das könnte Dir auch guttun. Du kannst da über alles sprechen, was in Deinem Kopf ist und Du triffst da solche, die das gleiche durchmachen.
      Ich für meinen Teil habe entschieden den „final cut“ nicht zu machen, gerade wegen des Kontaktverbots. Nicht weil ich glaube, dass ich das nicht stemmen könnte, sondern weil ich glaube, dass das den verbliebenen ZJ-Verwandten nicht hilft da raus zu kommen. So kann ich nachwievor im Sinne von „steter Tropfen hölt den Stein“ hin und wieder Argumente platzieren.
      Auch falls Deine Ehe in die Brüche geht. . . Werden Deine Ex-Frau und Deine Kinder nicht noch mehr Grund haben, den Umgang mit Dir einzuschränken?
      Nutze die frei gewordene Zeit für Dich und Deine Kinder

      1. Hallo Knut,

        Ich verstehe nur sehr gut was Du hier schreibst. In der selben Situation bin ich auch, außer das meine Frau nicht untätig ist und ich überzeugt bin dass es hier auch keine Änderung geben wird. Dadurch denke ich auch dass sich unsere Beziehung sehr stark verändert hat und ich das Gefühl habe einfach nur gehen zu wollen/müssen. Aber wegen der Kids kann ich das derzeit nicht… ich habe zuviel Angst sie dadurch zu verlieren. Den „soft-cut“ zu leben schaffe ich derzeit ganz gut, habe aber das Gefühl dass ich nicht mehr lang durchhalte, da ich „leben“ will, raus will aus diesem Gefängnis… und klar, mit meinen Freunden kann ich über diese Themen nicht sprechen. Sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen und wir sind echt eine gute Truppe… aber Du weißt ja was passieren würde wenn ich aussteige. Freunde sind nicht alles und man findet immer wieder neue, aber trotzdem ist es ein großer Schritt den ich schon einmal hinter mich gebracht habe als ich JZ wurde denn auch damals brach alles vorherige weg, eben weil ich ZJ wurde. Ich verstehe daher deinen Zug nur zu gut…

  8. Und noch ein Nachtrag zu deinem Kommentar, lieber Fabian. Das große Problem ist, dass man gar nicht mehr weiß, wer man ist. Dein Leben lang wird dir gesagt, was du tun sollst. Was gut und schlecht ist. Sich selbst kennenzulernen ist ein langwieriger Prozess. Man muss erst lernen, auf sein eigenes Urteil zu vertrauen. Da sind natürlich Späteinsteiger im Vorteil. Aber wenn du hineingeboren wurdest, ist es sehr sehr schwierig.
    Und wie du selbst ja auch gemerkt hast: ZJ sind oft sehr liebe Menschen. Aber was ändert das? Die Unwahrheit bleibt die Unwahrheit.

  9. Für den Fall dass sich jemand von Euch gerne mit Gleichgesinnten austauschen möchte… Es gibt ein App namens „Threema“ über das man ohne Tel.Nr. oder Email ähnlich zu Whatsapp chatten kann. Alles ist verschlüsselt und man kann zum öffnen des Apps auch ein Passwort vergeben. Falls das eventuell von Interesse sein könnte, dann könnten wir auf diese Art und Weise kommunizieren.

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